„Hutewald Boller Heide“
Stellungnahme zur Projekterläuterung des Forstamtes Göppingen
Der Schwäbische Albverein verfolgt mit seinen Aktivitäten die Ziele Wandern, Natur und Heimat.
Aus diesem Grund beobachten wir die Planung „Hutewald“ (mit ca.3ha) auf der Boller Heide mit großem Interesse.
Die Landschaft unserer Heimat ist eine Kulturlandschaft. Sie ist neben natürlichen Gegebenheiten wie Bodenverhältnissen entstanden durch die Nutzung, die meist das Auskommen der Bevölkerung sichern musste. So entstanden z.B. bei uns im Raum wegen der mageren Böden die Streuobst-wiesen (Doppelnutzung Viehweide/ Obstertrag), die Wacholderheiden (noch schlechtere Böden, weite Entfernung zum Dorf/ Fleisch und Wollnutzung durch Schafe) und auch Hutewälder zur Schweinemast im Herbst. Um größte Hungersnöte abzufedern durften auch Rinder in Teile des Waldes getrieben werden.
Das Auskommen der Bevölkerung und deren Bedürfnisse haben sich nun grundlegend geändert. Das Bedürfnis nach „Natur“ und historisch geprägter Umgebung wird immer größer. Begriffe wie Streuobstwiese, Artenvielfalt,Wacholderheide, wilde Orchideen und auch Hutewälder rufen sofort positiv besetzte Bilder bei wohl jedem auf. Dies kommt dem Bedürfnis nach einer harmonischen Umgebung entgegen. Wobei jeder etwas andere Bilder und Vorstellungen in seinem Inneren hat und der Blick in die Vergangenheit sehr oft romantisch verklärt ist.
Die Coronakrise hat noch ein weiteres wichtiges Bedürfnis der Bevölkerung aufgezeigt und verdeutlicht: Viele Menschen suchen verstärkt nach einem Ort in der Natur, um sich mit Freunden und Familien zu treffen.
Bad Boll hat so einen Raum. Im Rathaus liegt ein Ortsplan für Gäste und Einwohner aus, da ist wörtlich der „Höhenpark Boller Heide“ eingezeichnet. Und das ist er auch. Die Boller Heide ist eine große parkartige Lichtung mit alten Bäumen, dazwischen verschlungene Wege, Freiflächen zum Lagern und Ballspielen, Grillstelle und Schutzhütte. Gewachsen ist dieser Ort aus einer Vieh/Waldweide, der den Bedürfnissen der Bevölkerung nach und nach auf natürliche Weise angepasst wurde. Das Gebiet ist Naherholungsraum, Wanderziel, Spielplatz und Picknickstelle mit der Einladung zum Verweilen.
Ein Hutewald könnte eine weitere Attraktion auf der Gemarkung Bad Boll darstellen, ähnlich dem Wildpark in Göppingen beim Krankenhaus.
Die Kulturbiotope Streuobstwiese und Heide (bei uns Wacholderheide) sind allgemein bekannt. Die Heide steht für einen extremen artenarmen Boden. Die ständige Beweidung hatte durch Verbiss das Aus für viele Arten bewirkt (siehe Lüneburger Heide). Der Stickstoffeintrag durch Dung ist für manche Arten wie Schlüsselblumen und Orchideen sehr ungünstig. Dass wir Wacholderheiden teilweise als artenreich erleben können liegt daran, dass diese Flurstücke nur durch durchziehende Schafherden im Frühjahr vor der Blüte und im Herbst nach dem Aussamen für wenige Tage beweidet werden, was auch oft eine zusätzliche Pflege nach sich zieht.
Eine Orientierung haben wir bei Wikipedia unter „Hutewald“ gefunden. Neben interessanten Ausführungen zur Geschichte ist hier erstaunlich, dass auf einer Fläche von 100 ha 16 bis 30 Rinder zur Beweidung in der Vegetationsperiode angegeben werden. Da jegliche Weidenutzung die krautige Vegetation zurück drängt, sind zwar Käfer und Baumschmetterlinge zu erwarten, aber keine Orchideen. Zu diesen Punkten sollten die entsprechenden Naturschutz-organisationen gehört werden.
Auf der Nordalb bei Deggingen ist derzeit der nächstgelegene Hutewald auf 16 ha im Entstehen. Laut Internet soll eine regelmäßige Beweidung durch Schafe stattfinden. Hier ist also eine andere Art des Hutewaldes angedacht.
Nach der vorgestellten Planung ist die Boller Heide in ihrer jetzigen Form zu 80% nicht mehr nutzbar. Selbst wenn das Vieh wechselweise an unterschiedlichen Stellen steht, möchte niemand aus Hygienegründen auf einer Viehweide Picknick machen oder seine Kinder dort spielen lassen. Ein Platz, auf dem Vieh weidet hat immer Stellen, an denen es sich vermehrt aufhält. Dort liegt die Erde blank, purer Lehm. Andere Stellen werden gemieden, es wachsen höhere Gräser, Brennnesseln, zunehmend Brombeeren und Sträucher, die zusätzliche Pflege erfordern.
Bei einem Vororttermin am Samstag, den 13. März 2021 haben sich die Ausschuss-Mitglieder des Schwäbischen Albvereins einen Überblick zum Projekt „Hutewald Boller Heide“ verschafft.
Es ist für uns schwer vorstellbar, dass sich das angedachte Projekt so wie geplant sinnvoll und vor allem auf Dauer durchführen lässt ohne starke Beeinträchtigung der Freizeitmöglichkeiten.
Grundsätzlich unterstützen wir im nordöstlichen Bereich der Boller Heide die Durchforstung, um die Regeneration der verlorenen Flora und Fauna anzuregen. Die zusätzliche bessere Sicht auf die Dreikaiserberge ist eine weitere Bereicherung.
Bad Boll im März 2021